Meine ehrliche Meinung zu 1929 von Andrew Ross Sorkin
Selten hat mich ein Buch über Finanzgeschichte so gefesselt wie 1929 von Andrew Ross Sorkin. Ich dachte, ich wüsste über den großen Crash Bescheid – die Spekulation, den Zusammenbruch, die Depression danach. Aber was Sorkin hier liefert, geht weit über historische Fakten hinaus.
Er erzählt die Geschichte nicht wie ein Historiker, sondern wie ein Augenzeuge, der mitten im Chaos steht. Beim Lesen hatte ich stellenweise das Gefühl, direkt an der Wall Street zu sitzen – zwischen gierigen Maklern, überforderten Politikern und ahnungslosen Kleinanlegern, die glaubten, das Paradies gefunden zu haben.
Ein Rausch, der sich anfühlt wie heute
Die ersten Kapitel haben mich völlig gepackt. Sorkin beschreibt die 1920er Jahre als ein Jahrzehnt des kollektiven Größenwahns – Aktienkurse, die täglich neue Rekorde brechen, Medien, die die Euphorie anheizen, und Banker, die sich selbst für unfehlbar halten.
Erschreckend war für mich, wie vertraut sich das alles liest. Diese Mischung aus Arroganz und Naivität, das ewige „diesmal ist alles anders“ – das klingt verdammt nach dem Jahr 2025.
Man merkt, dass Sorkin sich bewusst zurückhält, zu viele direkte Parallelen zu ziehen, aber sie stehen trotzdem zwischen jeder Zeile. Ich habe mich mehr als einmal dabei ertappt, wie ich dachte: Das hier passiert doch gerade wieder.
Drei Akte – ein Absturz, der weh tut
Das Buch ist klug aufgebaut:
Vor dem Crash, während des Crashs, nach dem Crash.
Der erste Teil ist pure Sogwirkung. Sorkin stellt Charaktere vor, die man lieben und gleichzeitig verachten kann. Gier, Selbstüberschätzung und diese gefährliche Euphorie – alles wird spürbar.
Der eigentliche Crash kommt dann überraschend kurz, fast nüchtern – und vielleicht ist das genau richtig so. Es gibt keinen großen Knall, sondern ein schleichendes Zerbrechen.
Und dann der dritte Teil: die Abrechnung. Menschen, die alles verloren haben. Banker, die in Schande enden. Politiker, die zu spät handeln. Ich musste mehrmals innehalten, weil das alles so bitter real wirkt – nicht nur als Geschichte, sondern als Warnung.
Keine trockene Wirtschaftsgeschichte – sondern ein menschliches Drama
Sorkin hat das Talent, Wirtschaft lebendig zu erzählen. Er zeigt, wie sehr Märkte letztlich Psychologie sind – getrieben von Hoffnung, Angst und Selbsttäuschung.
Er schreibt packend, fast filmisch, und schafft es trotzdem, komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen. Ich habe oft vergessen, dass ich ein Sachbuch lese, weil es sich anfühlte wie ein Roman über Menschen, die in ihrer eigenen Hybris ertrinken.
Mein Fazit – und warum dieses Buch heute wichtiger ist denn je
1929 ist für mich mehr als ein Buch über einen Börsencrash. Es ist ein Spiegel.
Ein Spiegel, der uns zeigt, wie gefährlich Selbstüberschätzung und Gier sein können – in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
Ich kann 1929 jedem empfehlen, der sich für Finanzgeschichte interessiert – aber auch jedem, der wissen will, wie Menschen funktionieren, wenn sie glauben, unbesiegbar zu sein.
Mein Urteil:
Ein kluges, spannendes und beängstigend aktuelles Buch.
