Mein Artikel „10 Gründe, warum Frugalisten Trottel sind“ hat hohe Wellen geschlagen. In den Kommentaren wurde mir nicht nur Dummheit, sondern auch Herzlosigkeit vorgeworfen. Man wünscht mir die Verbannung in die digitale Verdammnis – was, ehrlich gesagt, einer meiner stolzesten Momente ist. Aber hey, ich bin ja für meinungsstarke Artikel bekannt, und ich gebe zu, das macht mir sogar Spaß.
Um meinen Punkt mit einem Hauch von Realität und Ironie zu unterstreichen, habe ich ein Gedankenexperiment gestartet. Vorhang auf für: Mein Leben als Frugalist.
Ein Montagmorgen im November: Der Beginn eines Traumlebens
Es ist Montag, 8 Uhr morgens. Der Wecker klingelt, und ich quäle mich aus meinem gemütlichen Bett – ach nein, warte, aus der auf dem Boden liegenden, leicht muffigen Matratze, die schon bessere Tage gesehen hat. Wir wohnen in einer charmanten 52m² Wohnung in einer Vorort-Mietskaserne, die sich den Flair eines sozialistischen Plattenbaus bewahrt hat. Mit dabei: meine Frau, unsere zwei Kinder und unser hyperaktiver Nachbar Mohammed, der mal wieder mit seinen Freunden ein Fußballspiel aus dem Irak geschaut hat. Das Stadionfeeling war perfekt, leider nicht dank Surround Sound, sondern weil ich jedes Tor durch die dünnen Wände live miterleben konnte. Aber Mohammed ist eigentlich ein netter Kerl – er teilt immer seine selbstgemachte Baklava mit uns, was uns regelmäßig ein paar Euro beim Bäcker spart. Da wird nicht gemeckert.
Mahlzeiten für Gewinner: Müsli-Hafermilch-Grütze für die ganze Woche
Zum Frühstück gibt es das Highlight der Woche: die Müsli-Hafermilch-Grütze, die wir gleich für die ganze Woche vorbereitet haben. Praktisch, wenn man sich frühmorgens keine Gedanken über das Essen machen muss – einfach rein damit! Die Kinder sind, sagen wir mal, semi-begeistert. Ihre Stimmung reicht von mürrisch bis leicht rebellisch, aber hey, auf in den Waldkindergarten! Ein Schnäppchen, und für die natürliche Dreckwäsche sorgt das Wetter. Den Rest erledigt die Sonne – falls sie sich irgendwann im Jahr doch mal zeigt.
Leben als Minimalist: Die Freuden des Verzichts
Auf dem Weg zur Arbeit gehe ich wie ein eisern disziplinierter Held an der Bäckerei vorbei, in der der Duft von frischen Croissants und heißen Kaffees lockt. Challenge bestanden, kein Coffee-to-go gekauft – ein kleiner Sieg, den ich mir innerlich auf die Schulter klopfe. Meine Kollegen im Büro bewundern mein Second-Hand-Outfit vom Kleidercontainer, das eine faszinierende Mischung aus 90er-Jahre-Vintage und Post-Apokalypse-Stil darstellt. Gesprächsstoff der Woche – ich werde immer gefragt, wo ich das her habe. Auch die Antwort „vom Container“ stößt überraschend oft auf Verwirrung.
Mittagspause: Genuss oder Selbstkasteiung?
Mittags wird es richtig aufregend. Während die Kollegen ihre Pizza aus der Kantine holen, das Sushi vom Lieferservice auspacken oder stolz ihren Avocado-Toast präsentieren, hole ich mein Lunchpaket hervor. Die Schätze des Wochenvorrats: Ein kalter Reis mit Resten vom Gemüse der Vorwoche, abgerundet mit einem Schuss selbst fermentierter Soße, die meine Frau nach einem YouTube-Tutorial „verfeinert“ hat. Der Geruch sorgt sofort für Aufmerksamkeit im Büro – weniger im positiven Sinne. Ein Kollege grinst und meint: „Oh, du probierst wohl den neuen Detox-Trend?“ Ich nicke nur und nehme einen Löffel der etwas zu säuerlichen Soße. Der Hunger treibt’s rein.
Während die anderen in der Kantine sitzen, bleibe ich lieber im Büro. Spart Zeit, Geld und die schmerzhaften Blicke meiner Kollegen, wenn ich meinen Tupperdeckel hebe. Ab und zu gönne ich mir das Reste-Watching: Auf dem Parkplatz leuchtet die Reklame von McDonald’s und Starbucks, und ich stelle mir vor, wie es wohl wäre, jetzt einen fetten Burger zu verdrücken. Aber hey, ein wahrer Frugalist lässt sich nicht von solchen Versuchungen bezirzen.
Teilzeit und früher Feierabend: Mehr Freizeit, aber kein Geld für Hobbys
Gegen 14 Uhr packe ich meine Sachen. Als Frugalist arbeite ich natürlich nur in Teilzeit – schließlich ist Freizeit ja das neue Luxusgut! Während meine Kollegen noch schuften, verlasse ich das Büro und genieße das Gefühl, „früher Feierabend“ zu haben. Freiheit fühlt sich großartig an… bis ich feststelle, dass ich mir den Feierabend nicht wirklich versüßen kann.
Das große Problem: Freizeit ohne Geld ist wie ein leerer Kühlschrank – irgendwie da, aber so richtig Freude kommt nicht auf. Statt teurer Hobbys wie Fitnessstudio, Kino oder Bowling gehe ich spazieren – immerhin kostet der Park keinen Eintritt. Ein kleiner Höhepunkt meines Nachmittags ist es, am örtlichen Modellbau-Laden vorbeizugehen und die ferngesteuerten Autos zu bewundern, die ich mir niemals leisten kann. Also geht es nach Hause, wo mich die nächste „Herausforderung“ erwartet: die Kinder zu beschäftigen, ohne auch nur einen Cent auszugeben.
Während die anderen zum After-Work-Drink aufbrechen, sitze ich auf der Couch und lese Gratis-eBooks oder schaue mir die neueste Folge einer Serie an, die gerade kostenlos auf irgendeinem Streaming-Dienst verfügbar ist. Hobbys, die wirklich Spaß machen, sind meist teuer – also bleibt es bei YouTube-Videos zum Thema „Leben mit weniger“ und endlosen DIY-Projekten, die aus Klopapierrollen und altem Draht bestehen.
Könnte das Dein Leben sein?
So lebe ich also als Vorzeige-Frugalist, der mit Begeisterung an jedem Euro spart, auf alles verzichtet und dabei die Sinnlosigkeit des Konsums feiert. Natürlich alles mit einem Augenzwinkern. Denn am Ende bleibt die Frage: Wie viel ist man bereit, aufzugeben, um ein vermeintlich freies Leben zu führen? Oder steckt hinter dem Glanz der Sparsamkeit nur eine bittersüße Abhängigkeit von Mangel und Verzicht? Und soll man sich das alles für ein 100.000 Euro Depot antun?
Was denkst Du? Könntest Du Dir ein Leben als Frugalist vorstellen, oder zieht es Dich doch eher zum Latte-Macchiato in die überteuerte Innenstadt-Bäckerei? Schreib es in die Kommentare und lass uns darüber diskutieren!
Schön zugespitzt. Im Kern ist da mMn was wahres dran. Aber man kann ja auch sparsam leben in den Bereichen, die einem keinen Mehrwert geben und dennoch Geld ausgeben bei dem, was einem Freude bereitet.
Ich sehe zB keinen Sinn darin, mir einen normalen Filterkaffee fmit Karamellsirup für drölfzig Euro unterwegs zu kaufen und liebe meinen Thermobecher, den ich Morgens einfach auf dem Weg zur Arbeit füllen kann. Ich hasse aber Putzen und möchte diese 2h die Woche lieber anders verbringen. Nun könnte ich mir mit dem gesparten Geld vom Kaffee, eine Wohnraumpflegehilfe leisten, die jede Woche bei mir putzt; wenn ich das wollte.
Ich arbeite gerne in meinem Job und möchte den nicht missen. Dennoch fände ich einen freien Tag mehr auch schön. Anstelle eines weiteren Monatsgehalts (Bonus) nehme ich dafür Freizeit/Urlaubstage (ich kann wählen). Und dann lasse ich es mir im Urlaub auch gerne mal gut gehen und gehe öfter essen etc. Denn in der Zeit tanke ich gerne wieder Energie auf.
Ich fahre mit dem Ansatz, nicht viel Geld auszugeben für Dinge die mir nicht viel bedeuten, gut. Ich muss mir so zum Glück keine Sorgen über einen leeren Kühlschrank zum Monatsende machen. Als ich Student war, war das durchaus schon mal anders…
Fazit: Soll jeder machen wie er/sie meint. Vermutlich fahren die meisten gut damit, ihre Ausgaben ein Mal kritisch zu hinterfragen und mit dem gesparten Geld die Sparqoute zu erhöhen. Dann klappts auch mit etwas wohlstand den Lebensabend verbringen zu können.
Da hast Du Recht. Ab und an gönn ich mir nen Filterkaffee im ICE für 3,90 Euro. Der Artikel ist ja mit einem Augenzwinkern geschrieben ;-).
Ich bin blind für Augenzwinkern und lese nur die billigen Provokationen eines minderbemittelten Hedonisten.